Archiv der Kategorie: Grundlagen

WRINT: Politikunterricht – Extremismus 2021

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Dies ist die Überarbeitung des Extremismuskapitels. Extremismus umfasst viele unterschiedliche Ideen, die demokratische Verfassungsstaaten ablehnen oder in Frage stellen. Dabei sind die Konzepte und Wirkungen sehr unterschiedlich. Im Folgenden sollen verschiedene politische Extremismen vorgestellt werden.

Linksextremismus

Zum linksextremistischen Spektrum gehören verschiedene Gruppierungen, die in ihren extremsten Ausführungen Nationalstaatlichkeit und das Gewaltmonopol des Staates ablehnen. Meist findet sich auch eine tiefe Kritik des kapitalistischen Wirtschaftssystems und seiner Ausprägungen. Gewaltakte im Linksextremismus sind sehr häufig Sachbeschädigung, aber auch Körperverletzungen. Sehr oft finden sich Menschen aus dem linksextremen Spektrum in Auseinandersetzungen mit der Polizei oder anderen Vertretern des Staates. Parteien im linksextremen Spektrum sind die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und die marxistisch-leninistische Partei Deutschlands (MLPD). Dazu gibt es viele eigenständige Gruppierungen mit unterschiedlichsten Zielen.

Rechtsextremismus

Rechtsextreme Gruppierungen sind meist hierarchisch organisiert. Ihre Ziele sind eine Rückkehr zu autoritärer Führerherrschaft und ihre Ideologien sind von Feindlichkeit gegenüber verschiedenen, von ihren Mitgliedern als abnormal und minderwertig wahrgenommenen, Gruppen von Menschen. Klassische Ideologien sind hier Antisemitismus, Rassismus und Hass auf Menschen aus dem LGBTQ* Spektrum. Es besteht eine starke ideologische Affinität zum Nationalsozialismus. Gewaltakte, die mit Rechtsextremismus verbunden werden sind Sachbeschädigung, Körperverletzung, Totschlag und Mord. Diese werden auch oft organisiert durchgeführt. Es gibt in der rechtsextremen Szene eine starke Binnenvernetzung und die Tendenz zur Unterwanderung staatlicher Institutionen.

religiöser Fundamentalismus

Vertreter*innen verschiedener Religionsgemeinschaften verabsolutieren die Lehren und Ideen dieser Gemeinschaften bis zur Verfassungsfeindlichkeit. Dabei unterscheiden sich politische Motive und der Modus des Vorgehens je nach Gruppe. Die größten Beispiele sind Islamismus und evangelikale Christen.

neue extremistische Bewegungen

Es ist noch nicht ganz klar, wie Bewegungen, die während und vor der Covid-19 Pandemie 2020/2021 Prominenz erworben haben, entstanden sind. Bekannte Beispiele sind die QAnon-Bewegung und die Querdenker-Bewegung. Beiden ist gemein, dass hier Verschwörungstheorien zu politischen Protesten führen. Dabei ist nicht ganz klar, wie stark irrationale Proteste und damit verbundene politische Forderungen und auch deren Bedienung durch Politiker*innen Demokratien gefährden. Die Erosion der gemeinsamen gesellschaftlichen Diskursbasis ist auf jeden Fall kritisch zu bewerten.

WRINT: Politikunterricht – Wie funktioniert das Wahlsystem?

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Um ein Parlament zu bestimmen gibt es in Demokratien den bewährten Weg der Wahl. Dabei gibt es zwei grundlegende Prinzipien, nach denen die Stimmen der Wählenden auf die Sitze im Parlament aufgeteilt werden:

Wahlsysteme generell

Diese beiden Prinzipien führen zu unterschiedlichen Effekten. Während das Mehrheitswahlrecht dafür sorgt, dass kleine Parteien weniger Sitze bekommen und damit klare Mehrheiten im Parlament wahrscheinlicher werden, sorgt das Verhältniswahlrecht für eine bessere Repräsentation der verschiedenen gesellschaftlichen Strömungen. Dafür neigen Parlamente, die nach Verhältniswahlrecht zusammengestellt werden dazu schwieriger Regierungsmehrheiten zu generieren, während die klaren Mehrheiten nach Mehrheitswahlrecht weniger Repräsentation garantieren.

Das in Deutschland angewandte personalisierte Verhältniswahlrecht versucht beide Konzepte zu vereinen, um einen Mittelweg zwischen Repräsentation und Regierbarkeit zu schaffen. Dabei gibt es zwei Stimmen:

  • Die Erststimme bestimmt nach dem Mehrheitswahlrecht einen Direktkandidaten, der für den Wahlkreis garantiert in den Bundestag einzieht.
  • Die Zweitstimme wird ausgezählt und bestimmt nach dem Verhältniswahlrecht die Zusammensetzung des Bundestages.

Das bekannteste Phänomen dieses Wahlsystems sind die Überhangmandate. Da die Sitze für Erststimmenkandidaten garantiert sind, können Parteien, denen nach den Zweitstimmen weniger Sitze zustehen trotzdem die Direktkandidatensitze behalten. Diese Mandate hängen über. Das führt allerdings dazu, dass die Verhältnisse im Bundestag nicht mehr gewährleistet sind. Deswegen wurde das Wahlrecht mehrfach vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen und beinhaltet derzeit ((Stand: Mitte 2016)) Ausgleichsmandate, die verteilt werden um die Verhältnisse nach der Zweitstimme wieder richtig abzubilden.

Jenseits dieser Phänomene gibt es mit dem aktuellen Wahlrecht noch einige andere Probleme, die unter anderem zu negativem Stimmgewicht, also dem Effekt, dass das Stimmen für eine Partei dazu führen kann, dass diese Sitze verliert, führen. Genauere Erläuterungen zu diesen findet sich auf den Seiten von Wahlrecht.de.

Update: Auf Wunsch hier pdf Versionen der Arbeitsblätter:

Bundestagswahlen Lösung Bundestagswahlen Wahlsysteme generell Lösung Wahlsysteme generell

WRINT: Politikunterricht – Was sind politische Parteien?

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Wenn sich in Deutschland über Politik unterhalten wird, kommt das Gespräch unweigerlich auf Parteien. Es scheint, dass die Parteien die zentralen Akteure im politischen Geschehen sind, wobei vielen Menschen nicht klar ist, dass Parteien bestimmte Funktionen in der politischen Landschaft erfüllen.

Ihre ersten Funktionen beziehen sich auf das inhaltliche Gestalten von Politik. Da es in einer Demokratie nicht möglich ist, jede Einzelmeinung eines Bürgers zu berücksichtigen, übernehmen Parteien die Aufgabe aus den Meinungen der Bürger politische Konzepte zu erstellen. Dieser Prozess durch die Meinungsbildungsfunktion, bei der Parteien Themen an die Bevölkerung herantragen und versuchen einen Meinungsbildungsprozess in den Bürgern anzuregen. Zeichnen sich hierauf verschiedene Meinungsströme ab, fassen Parteien diese Meinungen zu größeren Strömen zusammen (Aggregationsfunktion) und erstellen dann politische Konzepte.

Zu dieser, in einer Demokratie sehr wichtigen Funktion, haben Parteien auch die Aufgabe politische Eliten heranzubilden. Da Politiker heutzutage eine Profession und nicht mehr eine Laienaufgabe ist, ist es notwendig, dass die politischen Eliten durch Institutionen wie Parteien herangezogen werden.

Das Parteienspektrum

Traditionell werden Parteien in ein Spektrum von links nach rechts eingeteilt. Obwohl die Einteilung allgemein bekannt ist, sind die Dimensionen nicht klar. Es kann generell davon ausgegangen werden, dass eine Partei eher rechts ist, wenn sie konservative und nationalistische Werte vertritt. Eine Partei der Mitte ist eher bürgerlich und liberal, während eine Partei, die dem linken Bereich des Spektrum zugeordnet wird, alternative Politik vertritt. Klassischerweise fällt das mit sozialistischen Ideologien zusammen. Auf diesem Spektrum kann man die Parteien nach ihrer ideologischen Orientierung einordnen und sich somit einen Überblick über die ideologische Landschaft eines Landes beschaffen.

Parteien in Deutschland

In Deutschland legt der Art. 21 GG fest, wie Parteien verfasst sein müssen. Sie müssen demokratisch aufgebaut sein, ihre Mittel offenlegen und sich an die freiheitliche-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes halten.

WRINT: Politikunterricht – Was ist Demokratie?

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Demokratie ist eine von mehreren Regierungsformen, die Staaten aufweisen können. In der klassischen Staatsformenlehre von Aristoteles war Demokratie (von demos (Volk) und kratein (Herrschaft) aus Begriffsgründen eine entartete Form der Volksherrschaft. Er entwickelte folgendes System:

cc-by Thomas Brandt

cc-by Thomas Brandt

Aus diesem ergibt sich auch die klassische Idee des Verfassungszyklus. Eine gerechte Einzelherrschaft entartet langsam, wird dann von einer Gruppe abgelöst, die irgendwann nur noch die eigenen Ziele im Blick haben und dann vom Volk abgelöst werden. Der Pöbel setzt sich aufgrund seiner Masse durch und irgendwann kommt ein starker Herrscher, der aufräumt.

Die Demokratie selbst gibt es in zwei Arten. Die direkte Demokratie sieht die Herrschaftsausübung direkt in der Hand der einzelnen Bürger, während die indirekte oder repräsentative Demokratie vorsieht, dass gewählte Volksvertreter die Herrschaft ausüben.

In allen modernen Verfassungsstaaten, die man als Demokratie bezeichnen kann finden sich repräsentative Systeme, die mehr oder minder starke direkte Züge tragen. Dies ergibt sich hauptsächlich aus pragmatischen Überlegungen, da die modernen Bevölkerungszahlen und die Komplexität moderner politischer Entscheidungen kaum eine Wahl lassen, als Gesetze von wenigen spezialisierten Beauftragten beschließen zu lassen. Diese müssen aber immer noch dem Volk verpflichtet sein.

Dazu gibt es einige Nebenbedingungen, die dafür sorgen, dass eine Demokratie auch wirklich ihren Zweck erfüllen kann. Diese sind in den anderen Staatsstrukturprinzipien des Grundgesetzes zu finden. Ohne Rechtsstaat, Sozialsstaat und Bindung an das Grundgesetz ist eine wirkliche Demokratie nicht möglich.

WRINT: Politikunterricht – Was ist Gewaltenteilung?

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Aus den absolutistischen Herrschaften der frühen Neuzeit kam die Erfahrung, dass eine Vereinigung der verschiedenen Gewalten in einem Staat eine Gefahr für die Freiheit des Volkes ist. Denn dann kann staatliche Willkür von denjenigen ausgeübt werden, die diese Gewalten in ihrer Hand haben.

Dieser Idee setzen die Denker der Aufklärung die Idee der Gewaltenteilung entgegen. Da die Aufklärung die Freiheit des Menschen in den Mittelpunkt der philosophischen Betrachtung rückt, stellt sie auch fest, dass ein Staat in dem die Gewalt nicht geteilt ist, diese Freiheit maximal beschränken kann.

Der erste Philosoph, bei dem sich eine Idee von Gewaltenteilung findet, ist John Locke, der in seinem Second Treatise on Government die Exekutive von der Föderative trennt. Hierbei bestimmt die Föderative über die Gemeinschaft und erkläre Krieg und Frieden, während die Exekutive die Gesetze ausführt. Im Staat selbst trennt Locke dann noch die Legislative von der Prärogative, die der Exekutive zugeordnet unabhängig für das öffentliche Wohl handeln soll.

Eine, der modernen Sicht sehr ähnliche Idee der Gewaltenteilung formulierte dann erst Montesquieu. Er legt in seinem Werk Vom Geist der Gesetze eine Trennung von Gesetzgebung, Gesetzesausführung und Gesetzesauslegung also Legislative, Exekutive und Judikative. Montesquieu sagt dazu:

„Freiheit gibt es auch nicht, wenn die richterliche Befugnis nicht von der legislativen und von der exekutiven Befugnis geschieden wird. Die Macht über Leben und Freiheit der Bürger würde unumschränkt sein, wenn jene mit der legislativen Befugnis gekoppelt wäre; denn der Richter wäre Gesetzgeber. Der Richter hätte die Zwangsgewalt eines Unterdrückers, wenn jene mit der exekutiven Gewalt gekoppelt wäre.“ – 

Vom Geist der Gesetze (De l’esprit des lois), XI, 6

WRINT: Politikunterricht – Was für Grundrechte haben wir?

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Das Grundgesetz legt in den ersten 19 Artikeln die Grundrechte fest, die in Deutschland gelten. Diese Grundrechte sind hauptsächlich als Schutzrechte gegenüber dem Staat zu sehen und fundieren alle auf der Feststellung des Artikel 1, Satz 1 Grundgesetz: ((Alle zusammen bitte!))

Die Würde des Menschen ist unantastbar. GG Art. 1,1

Der deutsche Staat hat die Würde aller Menschen zu schützen und es steht außerhalb jeglicher Debatte, ob diese Würde angerührt werden kann. Es ist gängige Rechtsauffassung, dass diese Würde durch die weiteren Grundrechte im Grundgesetz definiert wird. Liest man sich diese weiteren Grundrechte durch, stellt man fest, dass ein paar sich auf alle Menschen beziehen und damit Menschenrechte sind und ein paar sich nur auf Deutsche beziehen und damit nur Bürgerrechte sind.

by-nc-nd Bundeszentrale für politische Bildung

by-nc-nd Bundeszentrale für politische Bildung

Eine aktuelle Version des Grundgesetzes findet sich immer bei de jure.

WRINT: Politikunterricht – Exkurs: Was ist Soziologie?

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Die Soziologie ist die Wissenschaft vom sozialen Verhalten menschlicher Gruppen. Sie beschäftigt sich hierbei mit Gruppen und nicht wie die Psychologie mit dem Verhalten einzelner. Die Soziologie ist dabei theoriebildend und empirisch. Das bedeutet, dass nicht nur soziologische Theorien entwickelt werden, sondern dass diese Theorien auch an erhobenen Daten überprüft werden. Um Daten zu erheben, benutzt die Soziologie Experimente, Umfragen und Beobachtung. Die Umfrage mit statistischer Auswertung ist dabei das meistbenutzte Mittel um soziologische Theorien zu bilden und zu überprüfen.

Der Blickwinkel der Soziologie kann in eine makro- und eine mikrosoziologische Betrachtungsweise unterteilt werden. Die Makrosoziologie beschäftigt sich mit sozialem Verhalten von großen Menschenmengen und den Dynamiken, die zwischen diesen Gruppen entstehen. Die Mikrosoziologie beschäftigt sich mit den sozialen Abläufen in Kleingruppen. Dabei sind die Übergänge teilweise fließend.

Wichtige Gebiete der Soziologie sind:

  • Sozialstrukturanalyse
  • Soziologie der Kleingruppen (z.B. Familiensoziologie)
  • Strukturanalyse von sozialen Räumen (z.B. Stadtsoziologie)
  • soziologische Theorie
  • Sozialisation (z.B. Jugendkulturphänomene)
  • Devianz (kriminelles Verhalten, gesellschaftliche Normen)

Zusammenfassung

Soziologie ist eine empirische und theoriebildende Wissenschaft, die sich mit dem sozialen Verhalten von menschlichen Gruppen beschäftigt. Sie benutzt dazu Umfragen, Experimente und Beobachtungen. Die Soziologie kann entweder einen breiten (Makrosoziologie) oder einen engen Fokus (Mikrosoziologie) haben.

WRINT: Politikunterricht – Exkurs: Was ist soziale Mobilität?

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Soziale Mobilität bedeutet, dass sich Gruppen von Menschen bewegen. Dies können sie auf verschiedene Arten tun.

Deswegen kann die soziale Mobilität in zwei Arten aufgespaltet werden: die horizontale und die vertikale soziale Mobilität. Die horizontale Variante beschäftigt sich mit räumlichen Wanderungsbewegungen in einer Gesellschaft.

Während horizontale soziale Mobilität an sich auch spannend ist, liegt der politische Fokus meist auf der vertikalen sozialen Mobilität, also auf Wanderungsbewegungen zwischen verschiedenen sozialen Statusgruppen. Deren Aufbau hat sich im Laufe der europäischen Geschichte von einer sehr starren Struktur, die wenig Mobilität ermöglicht, in immer flexiblere Strukturen gewandelt. Hier kann man das einmal sehen:

cc-by Thomas Brandt

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WRINT: Politikunterricht – Exkurs: Über Politik diskutieren

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Politik betrifft jeden und so ist es kein Wunder, dass über nicht mehr diskutiert wird als Politik. Dabei werden zumeist die einzelnen Ebenen der Politik gut durcheinandergewürfelt und Ideologien und Diskussionstricks geben sich die Klinke in die Hand. Trotzdem kann man relativ oft ein fruchtbare Diskussion führen, wenn man sich gegen die entsprechenden Diskussionstricks wehren kann und trotzdem die Person gegenüber respektvoll behandelt.

Diskussionstricks

Es ist ein klassisches soziales Konstrukt in unserer Welt, dass man Diskussionen „gewinnen“ kann. Generell wird dabei davon ausgegangen, dass man „gewonnen“ hat, wenn der andere schweigt. Das ist leider eine komplette Fehlannahme, denn Schweigen ist Aufgeben, aber nicht Zustimmung. Trotzdem gibt es in unserer Welt unendlich viele Tricks wie genau dieses Schweigen in der Diskussion bewerkstelligt werden kann und man sich damit als „Gewinner“ darstellen kann. Die wichtigsten dieser Tricks laufen über Ablenkung oder aber Falschdarstellung der Aussagen des Gegenübers. Da der Fundus hier relativ groß ist, seien weiterführend empfohlen:

Die Person gegenüber ernst nehmen

Obwohl man sich gegen Diskussionstricks wirklich wehren sollte, bedeutet das nicht, dass man sofort das Gespräch abbrechen sollte. Obwohl das aus Selbstschutz und Zeitersparnis ab einem bestimmten Punkt der Frustration definitiv legitim und auch angeraten ist, sollte man erst einmal probieren die andere Person irgendwie an den eigenen Standpunkt heranzuführen. Gerade in politischen Diskussionen sagen viele Menschen gerne Allgemeinplätze auf, die sie aus den Medien oder ihrer Umwelt aufgenommen haben und die normalerweise mangelndes Durchdenken der Sachverhalte zeigen. Es wurde hier eben kein fundiertes Urteil gesprochen, sondern einfach nur dahergeschwafelt ohne die Relevanz für sich zu erkennen. Politik ist aber eben relevant für den Einzelnen. Das trifft besonders auf große gesellschaftliche Diskurse wie Überwachung oder sexuelle Gleichbehandlung zu. Diese Relevanz muss man erst einmal herstellen, damit der andere das Thema ausreichend würdigt und es ist meine Erfahrung, dass hier auch schon meist das Problem ist. Stellt man dann Relevanz her, werden animierte, streitbare und laute Schüler gerne still und nachdenklich. Es geht auf einmal um sie und nicht irgendjemanden und schon werden Perspektiven mehr überdacht.

Die Basis hierfür ist allerdings eine Diskussionseinstellung, die manchmal schwer zu behalten ist: man muss die Person gegenüber grundlegend in ihren Aussagen ernst nehmen. Wenn die Person dafür Gründe hat, dann auch diese und wenn nicht, dann kann man dort ansetzen. Man sollte viele forschende Fragen stellen um Informationen über die Einstellung und Beweggründe der Person zu bekommen und möglichst wenig eigenständige Annahmen treffen, wenn man nahezu keine Daten hat. Das führt zum einen dazu, dass man besser Relevanz herstellen kann, und zum anderen dazu, dass sich die Person ernst genommen fühlt. Erst dann kann man mit ihr interagieren. Oder sich auch entscheiden, dass es keinen Sinn mehr hat, mit ihr zu interagieren, weil sie den gemeinsamen Boden der Realität verlassen hat.

Hat die Person mit der man diskutiert das augenscheinlich und für den eigenen Idealismus ausreichend getan, dann sollte man die Diskussion verlassen und gehen. Das sieht diese Person zwar meist als Sieg, der sie in ihrer Weltsicht bestärkt, aber man kann das eigentlich nicht verhindern. Die Welt ist multivariat und man selbst weiß ja auch nicht alles. Man sollte nur Abstand halten, wenn einem selbst diese Interaktion nichts bringt.

Hierzu kann man noch zum Lesen empfehlen:

Hubert Schleichert, Wie man mit Fundamentalisten diskutiert ohne den Verstand zu verlieren (relativ polemisch und etwas fies)

WRINT: Politikunterricht – Was macht ein politisches Urteil aus?

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Eine Aufgabe des Politikunterricht ist es politische Urteilsfähigkeit herzustellen. Das ist anspruchsvoller als man denkt, denn ein politisches Urteil sollte mehr sein als eine einfache Meinungsäußerung.

Meinungen kann man einfach haben, ein Urteil sollte eigentlich begründet und durchdacht sein. Allerdings gehört zur Politik auch immer die policy, also eine Ideologie oder Meinung. Diese sollte aber den Fakten nachgelagert sein. Deswegen empfiehlt sich hier die I-F-P Methode:

  • Informationen sammeln
  • Folgen abschätzen
  • Prioritäten festlegen

Wie man hier sieht, werden erst Fakten analysiert, dann eine Prognose erstellt und dann erst ideologische und ethische Prinzipien als Basis für die Entscheidung zu Rate gezogen. Die können sehr unterschiedlich aussehen, was bedeutet, dass zum Beispiel eine neoliberale Ideologie zu anderen Entscheidungen führt als eine sozialistische Einstellung und aus der Sicht der politischen Bildung ist die Ideologie erst einmal egal, so lange das Urteil unter der Berücksichtigung aller Fakten getroffen wurde. Der Beutelsbacher Konsens sagt hier, dass die Befähigung zum Urteil das Ziel ist, nicht die ideologische Ausrichtung des Urteils.

Allerdings kann man noch eine Bewertung der moralischen Komplexität eines Urteils treffen. Diese basiert klassischerweise auf der entwicklungspsychologischen Theorie von Lawrence Kohlberg. Kohlberg entwickelt eine Theorie der Moralentwicklung in der er drei Stufen mit Unterstufen aufmacht:

Auf der präkonventionellen Ebene richtet sich das Urteil primär nach dem eigenen Wohlbefinden. Es geht also nur darum eigenen Schmerz zu vermeiden oder aber die Gefühle anderer zu einem zu spiegeln.

Auf der konventionellen Ebene orientiert sich das Urteil an Regeln und deren Einhaltung. Entweder daran, dass man ein guter Mensch ist oder, aber an den herrschenden Gesetzen.

Auf der postkonventionellen Ebene orientiert sich das Urteil dann an übergeordneten moralischen Prinzipien, wie den Gesellschaftsvertrag oder sogar übergeordneten ethischen Prinzipien.

Ein politisches Urteil sollte natürlich idealerweise auf der postkonventionellen Ebene gefällt werden, da aber die meisten Menschen sich eher auf der konventionellen Ebene befinden, ist das dann der Standard. Ähnlich wie oben ist aus Sicht der politischen Bildung das Fällen eines Urteils auf der postkonventionellen Ebene wieder erst einmal gleichwertig einem auf der konventionellen Ebene.

Weiterführende Links:

Arbeitsblatt „Urteil und Dilemma“ der Bundeszentrale für politische Bildung