Politik betrifft jeden und so ist es kein Wunder, dass über nicht mehr diskutiert wird als Politik. Dabei werden zumeist die einzelnen Ebenen der Politik gut durcheinandergewürfelt und Ideologien und Diskussionstricks geben sich die Klinke in die Hand. Trotzdem kann man relativ oft ein fruchtbare Diskussion führen, wenn man sich gegen die entsprechenden Diskussionstricks wehren kann und trotzdem die Person gegenüber respektvoll behandelt.
Diskussionstricks
Es ist ein klassisches soziales Konstrukt in unserer Welt, dass man Diskussionen „gewinnen“ kann. Generell wird dabei davon ausgegangen, dass man „gewonnen“ hat, wenn der andere schweigt. Das ist leider eine komplette Fehlannahme, denn Schweigen ist Aufgeben, aber nicht Zustimmung. Trotzdem gibt es in unserer Welt unendlich viele Tricks wie genau dieses Schweigen in der Diskussion bewerkstelligt werden kann und man sich damit als „Gewinner“ darstellen kann. Die wichtigsten dieser Tricks laufen über Ablenkung oder aber Falschdarstellung der Aussagen des Gegenübers. Da der Fundus hier relativ groß ist, seien weiterführend empfohlen:
- Arbeitspapier Nr. 5 der Bochumer Arbeitsgruppe für sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung (aktuell und mit einem guten Theorieteil als Einleitung)
- Arthur Schopenhauer, Die eristische Dialektik: oder die Kunst Recht zu behalten. (etwas veraltet vom Inhalt und der Sprache her)
Die Person gegenüber ernst nehmen
Obwohl man sich gegen Diskussionstricks wirklich wehren sollte, bedeutet das nicht, dass man sofort das Gespräch abbrechen sollte. Obwohl das aus Selbstschutz und Zeitersparnis ab einem bestimmten Punkt der Frustration definitiv legitim und auch angeraten ist, sollte man erst einmal probieren die andere Person irgendwie an den eigenen Standpunkt heranzuführen. Gerade in politischen Diskussionen sagen viele Menschen gerne Allgemeinplätze auf, die sie aus den Medien oder ihrer Umwelt aufgenommen haben und die normalerweise mangelndes Durchdenken der Sachverhalte zeigen. Es wurde hier eben kein fundiertes Urteil gesprochen, sondern einfach nur dahergeschwafelt ohne die Relevanz für sich zu erkennen. Politik ist aber eben relevant für den Einzelnen. Das trifft besonders auf große gesellschaftliche Diskurse wie Überwachung oder sexuelle Gleichbehandlung zu. Diese Relevanz muss man erst einmal herstellen, damit der andere das Thema ausreichend würdigt und es ist meine Erfahrung, dass hier auch schon meist das Problem ist. Stellt man dann Relevanz her, werden animierte, streitbare und laute Schüler gerne still und nachdenklich. Es geht auf einmal um sie und nicht irgendjemanden und schon werden Perspektiven mehr überdacht.
Die Basis hierfür ist allerdings eine Diskussionseinstellung, die manchmal schwer zu behalten ist: man muss die Person gegenüber grundlegend in ihren Aussagen ernst nehmen. Wenn die Person dafür Gründe hat, dann auch diese und wenn nicht, dann kann man dort ansetzen. Man sollte viele forschende Fragen stellen um Informationen über die Einstellung und Beweggründe der Person zu bekommen und möglichst wenig eigenständige Annahmen treffen, wenn man nahezu keine Daten hat. Das führt zum einen dazu, dass man besser Relevanz herstellen kann, und zum anderen dazu, dass sich die Person ernst genommen fühlt. Erst dann kann man mit ihr interagieren. Oder sich auch entscheiden, dass es keinen Sinn mehr hat, mit ihr zu interagieren, weil sie den gemeinsamen Boden der Realität verlassen hat.
Hat die Person mit der man diskutiert das augenscheinlich und für den eigenen Idealismus ausreichend getan, dann sollte man die Diskussion verlassen und gehen. Das sieht diese Person zwar meist als Sieg, der sie in ihrer Weltsicht bestärkt, aber man kann das eigentlich nicht verhindern. Die Welt ist multivariat und man selbst weiß ja auch nicht alles. Man sollte nur Abstand halten, wenn einem selbst diese Interaktion nichts bringt.
Hierzu kann man noch zum Lesen empfehlen:
Hubert Schleichert, Wie man mit Fundamentalisten diskutiert ohne den Verstand zu verlieren (relativ polemisch und etwas fies)