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WRINT: Politikunterricht – Wie sieht der deutsche Sozialstaat aus?

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Artikel 20 des Grundgesetzes sagt in Satz 1:

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

Dieser Satz begründet auch das Prinzip des Sozialsstaates, das aber ansonsten im Grundgesetz nicht näher definiert wird. Generell wird heutzutage angenommen, dass dem Sozialstaatsprinzip genüge getan wird, in dem es die verschiedenen Sozialversicherungen gibt und der Staat dazu noch für eine Grundversorgung und besondere Gruppen der Bevölkerung ((Behinderte, Kriegsversehrte oder Waisen)) zuständig ist.

Das Sozialversicherungssystem wird generell als der Kern des Sozialstaats gesehen. Es besteht aus fünf Versicherungen:

  • Krankenversicherung
  • Pflegeversicherung
  • Rentenversicherung
  • Arbeitslosenversicherung
  • Unfallversicherung.

Die Krankenversicherung und die Pflegeversicherung haben die Aufgabe für Krankheits- und Pflegekosten aufzukommen. Während die Krankenversicherung schon von Bismarck eingeführt wurde, kam die Pflegeversicherung erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts eingeführt um die erhöhten Kosten der Pflege von bedürftigen Personen zu finanzieren. Die Krankenversicherung ist in Deutschland keine Versicherung, die allgemein gilt, sondern nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Selbständige, Freiberufler, Künstler, Beamte und Menschen, die nichtselbständig über einem Jahresentgelt von 54.900€ verdienen, können sich auch privat krankenversichern.

Die Rentenversicherung sichert das Auskommen von Menschen im Alter ab. Heutzutage bekommt jeder sozialversicherte Deutsche Rente. Das bedeutet auch, dass Freiberufler, Beamte und Selbständige nicht in die Rentenversicherung einzahlen automatisch davon frei sind, und sich anderweitig absichern müssen. Die Rente richtet sich nach den eingezählten Beiträgen und dem Renteneintrittsalter. Dabei wird von der Rentensumme Geld abgezogen, wenn man früher als zum normalen Renteneintrittsalter in die Rente eintritt. Das bedeutet, dass beim derzeitigen Renteneintrittsalter von nominell 67 Jahren ((Es gibt hier eine Ausnahme für Arbeitnehmer in schweren körperlichen Berufne, die ungeachtet des Alters nach 45 Jahren in diesen Berufen in Rente gehen können.)), jedes Jahr früher vom Rentenbeitrag abgezogen wird. Da sich das reale Renteneintrittsalter kaum ändert, wird hiermit unter anderem die Rentenhöhe durch den Staat beeinflusst.

Die Arbeitslosenversicherung ist dafür zuständig sozial versicherte Arbeitnehmer abzusichern, die ihre Arbeit verloren haben. Die aktuelle Arbeitslosenversicherung bietet für Arbeitnehmer, die mindestens ein Jahr sozialversicherungspflichtig angestellt waren. Diese erhalten eine Leistung, die den durchschnittlichen Entgelten in dieser Zeit minus den Sozialbeiträgen für die Sozialversicherungen entspricht, ungefähr 60-67% des letztjährigen Nettoentgeltes. Die Leistungen werden zeitliche gestaffelt nach der Dauer der vorherigen Beschäftigung gezahlt. Zusaätzlich zu diesen Leistungen bietet die Arbeitslosenversicherung auch noch Leistungen wie Insolvenzgeld und Kurzarbeitergeld.

Nach dem Arbeitslosengeld gibt es nur noch Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, das sogenannte Arbeitslosengeld II besser bekannt als HARTZ IV. Der Fall vom Arbeitslosengeld in das ALG II kann sehr hoch sein, wenn vorher viel Geld verdient wurde. Selbständige und Freiberufler haben normalerweise nur einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn sie freiwillig in das System eingezahlt haben, ansonsten fallen sie sofort in das Arbeitslosengeld II. Dies ist insbesondere problematisch, weil Vermögen, jenseits gewisser geschützter Vermögensteile, unter ALG II erst verbraucht werden muss, bevor der Staat in Leistungen tritt. Das bedeutet, dass eine längere Arbeitslosigkeit zum Verlust eines Großteils des persönlichen Vermögens führen kann, ohne dass der Staat Ausgleichsleistungen vornimmt.

Dank an Peter für die guten Hinweise in den Kommentaren.

Die Unfallversicherung sichert abhängig beschäftigte Arbeitnehmer gegen die Konsequenzen von Arbeitsunfällen und Wegeunfällen ab.

Finanzierung der Sozialversicherungen

Die Sozialversicherungen werden umlagefinanziert. Das bedeutet, dass die aktuellen Einzahler für die Leistungen, die die aktuellen Empfänger empfangen, aufkommen müssen. Dabei galt lange Zeit, dass Arbeitgeber wie Arbeitnehmer die selben Prozentbeiträge auf das Gehalt des Arbeitnehmers abführen mussten. Durch Reformen wurde allerdings die Krankenversicherung für die Arbeitgeber gedeckelt, so dass heutzutage die Arbeitnehmer anteilig mehr in die Kassen einzahlen als die Arbeitgeber.

Probleme der Sozialversicherung

Die Sozialversicherungssysteme leiden unter mehreren Problemen. Das bekannteste ist das demographische Problem. Durch die Überalterung der Gesellschaft gibt es immer mehr alte Menschen, die einen Anspruch auf Rentenversorgung haben und von einer sinkenden Anzahl an jungen sozialversicherten Menschen bezahlt werden müssen. Dadurch steigt automatisch die Last für junge Arbeitnehmer und das Rentenniveau kann innerhalb der Systemlogik nicht dauerhaft gehalten werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass gerade die Bürger, die gut verdienen, also Selbständige, Beamte und hochdotierte Freiberufler nicht in das staatliche Sozialversicherungssystem einzahlen und somit die Schieflage in der Finanzierung noch kritischer wird.

Lösungsansätze für diese Problematik sind: höhere private Selbstversorgung, niedrigere Renten und Arbeitslosensätze oder radikal Systemänderungen wie das bedingungslose Grundeinkommen.

Das Arbeitsblatt, das in der Sendung erwähnt wird, findet ihr übrigens bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Die passende Folie findet ihr hier.

WRINT: Politikunterricht – Exkurs: Wie sieht die deutsche Altersstruktur aus?

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Ein Begriff, der in den letzten Jahren in den allgemeinen Sprachgebrauch gewandert ist, ist der des demographischen Wandels. Dieser bezeichnet einen Prozess, der sich in der Entwicklung der Altersstruktur Deutschlands und vieler anderer moderner Industriestaaten abspielt.

Die Entwicklung lässt sich am besten an den demographischen Daten des statistischen Bundesamts erkennen.

Spult man zu den Daten von 1950 zurück, kann man noch erkennen, dass sich die Bevölkerung tatsächlich pyramidenförmig verteilt. Es gibt klare Einschnitte für den 1. und 2. Weltkrieg, besonders bei den Männern und natürlich ist die angenommene Pyramidenform, die man gerne mal für das Jahr 1910 zu sehen bekommt idealisiert.

In den Daten von 1980 kann man dann einen eindeutigen Geburtenrückgang erkennen, der auf die Einführung von Verhütungsmitteln zurückzuführen ist. Dieses Phänomen kennt man auch als den Pillenknick.

Im weiteren Verlauf der Daten kann man nun die Charakteristiken des demographischen Wandels erkennen: einen Rückgang der Geburtenraten und eine Überalterung der Gesellschaft. Dieses Phänomen führt dazu, dass sich die „Pyramide“ langsam in einen Pilz verwandelt in dem der jüngere Teil der Bevölkerung im Vergleich zu älteren immer kleiner wird. Dies stellt unsere Gesellschaft langfristig vor neue politische, aber auch soziale Probleme, da immer mehr ältere Menschen gepflegt und betreut werden müssen und umlagefinanzierte soziale Sicherungssysteme nicht mehr finanziert werden können.

WRINT: Politikunterricht – Exkurs: Wie kann man sozialen Status analysieren?

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Bevor es losgeht: Die Arbeitsblättersammlung, die wir benutzen findet man bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Da die Illustrationen dort genehmigt sind und das Herunterladen nichts kostet, stelle ich sie hier nicht noch einmal rein.

Mit jeder Zunahme der vertikalen sozialen Mobilität, haben sich neue Begriffe und Strukturerklärungen für die einzelnen sozialen Statusgruppen ergeben. Die moderne Analyse sozialer Mobilität fängt eigentlich erst mit Karl Marx und seinem Klassensystem an. Allerdings ist das auch etwas veraltet.

Soziale Schichten

In den modernen Gesellschaften sind die vorherrschenden Theorien über die soziale Struktur an das Einkommen und Vermögen gebunden. Die bekannteste Art über soziale Unterschiede zu denken sind die sozialen Schichten. Das Schichtenmodell geht auf Ralf Dahrendorf zurück und wurde noch einmal von Rainer Geißler verfeinert. Es wird klassisch als ein Haus dargestellt, dass zeigt, dass die unteren Schichten breiter in der Gesellschaft vertreten sind als die Eliten. Dazu werden die einzelnen Schichten nach den Aufgaben in der Gesellschaft differenziert. Geißler hat einen kompletten Anbau für ausländische Mitglieder der Gesellschaft an das Haus angefügt, um es für die Moderne anzupassen. Das Haus besitzt übrigens auch einen Keller für diejenigen Teile der Bevölkerung, die unterhalb der Armutsgrenze leben.

soziale Milieus

Während das Schichtenmodell primär nach Einkommen und Art des Broterwerbs unterscheidet, richten sich die Sinus Milieus nach dem Einkommen und der Einstellung der verschiedenen sozialen Gruppen zur Gesellschaft. Da sich diese Einstellungen regelmäßig ändern hat das Sinus Institut, das diese Milieus entwickelt hat und analysiert, ein gutes Geschäftsmodell aufbauen können. Es gibt also eher konservativ-traditionalistische Milieus, eher Milieus des Mainstreams und auch progressive Milieus, die dem Mainstream gesellschaftlich voraus zu sein und die Entwicklung der Gesellschaft voranzutreiben scheinen. Gerade die Werbewirtschaft und die Marktforschung findet diese Analysen nützlich. Sie zeigt aber auch, welche gesellschaftlichen Strömungen sich in der Gesellschaft befinden.

Sozialer Status nach Pierre Bourdieu

Pierre Bourdieu erstellte, basierend auf der Kapitalidee von Karl Marx, eine Sozialstatusanalyse, die neben dem Vermögen, auch noch das sogenannte kulturelle und soziale Kapital benutzt um eine Person einen sozialen Status zuzuordnen.

Bourdieu Kapital

Die verschiedenen Kapitalsorten lassen sich unter Verlusten ineinander umtauschen. Das bedeutet, dass Bildung und soziales Netz in Vermögen umgetauscht werden können, aber auch in jeder anderen Kombination.

Die feinen Unterschiede

Bourdieu geht allerdings sogar noch weiter. Er entwickelt das Konzept des sozialen Habitus den jeder Mensch sich aneignet und der dann einen weiteren Wechsel sozialer Statusgruppen verhindern kann. Es geht dabei um die Idee, dass jeder Mensch bestimmt Werte und Ansichten erwirbt, die ihn dann von Menschen aus anderen Statusgruppen unterscheiden. Ein Aufstieg in andere soziale Gruppen ist also gar nicht so einfach und unproblematisch möglich, wie es erscheint. Es gibt hier auch noch den Habitus als heimlichen sozialen Code, den man auch erlernen muss. In ihrem Podcast In trockenen Büchern erklärt Alexandra Tobor dies noch genauer.

Statusinkonsistenz

In der modernen Gesellschaft kann es immer wieder vorkommen, dass Menschen einen sozialen Status besitzen, der von den Kriterien, die sie aufweisen nicht erwartbar ist. Dies wird als Statusinkonsistenz bezeichnet. Meist handelt es sich um eine Diskrepanz zwischen Bildungsniveau und Einkommen der Personen.

Zusammenfassung

Man kann den sozialen Status von Menschen auf verschiedene Arten analysieren. Das Schichtenmodell orientiert sich am Einkommen und der Art des Berufes, sowie der Herkunft der Person. Die Sinus-Milieus kombinieren Einkommen und Einstellung zur Gesellschaft miteinander. Die Statusanalyse von Bourdieu benutzt Bildung, Einkommen und soziales Netzwerk als Kategorien um Menschen einen sozialen Status zuzuweisen. Sozialer Status prägt zudem den Habitus eines Menschen, der daher auch die soziale Mobilität der Person einschränken kann.