WRINT: Politikunterricht – Exkurs: Über Politik diskutieren

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Politik betrifft jeden und so ist es kein Wunder, dass über nicht mehr diskutiert wird als Politik. Dabei werden zumeist die einzelnen Ebenen der Politik gut durcheinandergewürfelt und Ideologien und Diskussionstricks geben sich die Klinke in die Hand. Trotzdem kann man relativ oft ein fruchtbare Diskussion führen, wenn man sich gegen die entsprechenden Diskussionstricks wehren kann und trotzdem die Person gegenüber respektvoll behandelt.

Diskussionstricks

Es ist ein klassisches soziales Konstrukt in unserer Welt, dass man Diskussionen „gewinnen“ kann. Generell wird dabei davon ausgegangen, dass man „gewonnen“ hat, wenn der andere schweigt. Das ist leider eine komplette Fehlannahme, denn Schweigen ist Aufgeben, aber nicht Zustimmung. Trotzdem gibt es in unserer Welt unendlich viele Tricks wie genau dieses Schweigen in der Diskussion bewerkstelligt werden kann und man sich damit als „Gewinner“ darstellen kann. Die wichtigsten dieser Tricks laufen über Ablenkung oder aber Falschdarstellung der Aussagen des Gegenübers. Da der Fundus hier relativ groß ist, seien weiterführend empfohlen:

Die Person gegenüber ernst nehmen

Obwohl man sich gegen Diskussionstricks wirklich wehren sollte, bedeutet das nicht, dass man sofort das Gespräch abbrechen sollte. Obwohl das aus Selbstschutz und Zeitersparnis ab einem bestimmten Punkt der Frustration definitiv legitim und auch angeraten ist, sollte man erst einmal probieren die andere Person irgendwie an den eigenen Standpunkt heranzuführen. Gerade in politischen Diskussionen sagen viele Menschen gerne Allgemeinplätze auf, die sie aus den Medien oder ihrer Umwelt aufgenommen haben und die normalerweise mangelndes Durchdenken der Sachverhalte zeigen. Es wurde hier eben kein fundiertes Urteil gesprochen, sondern einfach nur dahergeschwafelt ohne die Relevanz für sich zu erkennen. Politik ist aber eben relevant für den Einzelnen. Das trifft besonders auf große gesellschaftliche Diskurse wie Überwachung oder sexuelle Gleichbehandlung zu. Diese Relevanz muss man erst einmal herstellen, damit der andere das Thema ausreichend würdigt und es ist meine Erfahrung, dass hier auch schon meist das Problem ist. Stellt man dann Relevanz her, werden animierte, streitbare und laute Schüler gerne still und nachdenklich. Es geht auf einmal um sie und nicht irgendjemanden und schon werden Perspektiven mehr überdacht.

Die Basis hierfür ist allerdings eine Diskussionseinstellung, die manchmal schwer zu behalten ist: man muss die Person gegenüber grundlegend in ihren Aussagen ernst nehmen. Wenn die Person dafür Gründe hat, dann auch diese und wenn nicht, dann kann man dort ansetzen. Man sollte viele forschende Fragen stellen um Informationen über die Einstellung und Beweggründe der Person zu bekommen und möglichst wenig eigenständige Annahmen treffen, wenn man nahezu keine Daten hat. Das führt zum einen dazu, dass man besser Relevanz herstellen kann, und zum anderen dazu, dass sich die Person ernst genommen fühlt. Erst dann kann man mit ihr interagieren. Oder sich auch entscheiden, dass es keinen Sinn mehr hat, mit ihr zu interagieren, weil sie den gemeinsamen Boden der Realität verlassen hat.

Hat die Person mit der man diskutiert das augenscheinlich und für den eigenen Idealismus ausreichend getan, dann sollte man die Diskussion verlassen und gehen. Das sieht diese Person zwar meist als Sieg, der sie in ihrer Weltsicht bestärkt, aber man kann das eigentlich nicht verhindern. Die Welt ist multivariat und man selbst weiß ja auch nicht alles. Man sollte nur Abstand halten, wenn einem selbst diese Interaktion nichts bringt.

Hierzu kann man noch zum Lesen empfehlen:

Hubert Schleichert, Wie man mit Fundamentalisten diskutiert ohne den Verstand zu verlieren (relativ polemisch und etwas fies)

5 Gedanken zu „WRINT: Politikunterricht – Exkurs: Über Politik diskutieren

  1. Peter

    Sehr interessantes Thema, davon wünsche ich mir mehr.
    Das Arbeitspapier PDF ist wahrlich lesenswert, an manchen Stellen aber bevorzugt dem Lateinschüler zugänglich: „Konstatierung einer adäquaten Kontrafaktizität“… oder verstehe ich hier mal wieder den Sarkasmus nicht?
    Und wie übt man den sinnvollen Umgang mit so blöden Argumenten? Die richtige Antwort fällt mir oftmals nicht schlagfertig ein. Das reicht zwar für den Erkenntnisgewinn bei mir, aber die Böcke, mich auf so ein Gespräch überhaupt einzulassen, wachsen davon gar nicht.

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    1. Thomas Brandt Beitragsautor

      Danke sehr!

      Nunja, die BOAG ist teilweise etwas sarkastisch, aber hier ist es wohl eher wissenschaftliche Ausdrucksweise. Wenn du am Beispiel und den Erklärungen verstehst, was sie meinen ist das auch okay. Wenn das nicht mehr geht, einfach fragen, aber ich denke nicht, dass das ein Problem ist. Heisst übrigens übersetzt: Was sagen, was ausreichend entgegengesetzt ist.

      Ehrlich? Einfach mehr streiten und vor allem die Argumente der anderen auch mal durchdenken. Wenn du deren Wege sehen kannst, dann ist es relativ einfach Strategien und Antworten zu haben. Ich habe für meine politischen Themen und Beispiele meist das alles einmal durchdiskutiert, zumeist schon in der Uni. Das gab es bei mir noch. Wenn du dir also ein Thema nimmst und es von verschiedenen Seiten betrachtest, dann hast du automatisch bessere Waffen in der Hand.
      Für Fortgeschrittene hilft es das Weltbild deines Gegenübers zu analysieren und dich zu fragen, was seine Prioritäten sind. Da sind wir dann bei dem „Einlassen“, von dem ich im Podcast rede. Wenn es allzu dumm oder manipulierend ist, mach das, was Holgi da sagt: Erkläre dem anderen, warum seine Argumentationsstruktur eine ernsthafte Diskussion unmöglich macht.

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  2. Jan

    Kurzer Kommentar, weil Holgi fragte – Auch wenn er es inzwischen wahrsch. schon weiß: „Coping“ kommt vom engl. „to cope with sth.“ – Also „damit umgehen“ – das Handling. Eben um sich neutral von Begriffen wie „entwerten“ oder „gegendartellen“, die immer auch eskalierend, kämpferisch konnotiert sind, abzugrenzen.
    „Damit umzugehen“ beeinhaltet halt auch Reaktionen wie „einfach ignorieren, und ins Leere laufen lassen“.

    Ansonsten – Super Danke für diese Reihe – total interessant das mal auf dem Level aufgearbeitet zu bekommen, auf dem ich es mir damals als Schüler gewünscht hätte 😉

    Im den nächsten Folgen dann doch bitte die nächsten Lektionen, wie man mit Leuten umgeht, die sich Aufgrund eines Machtgefälles nicht um die Diskussionskultur kümmern müssen, und einen nicht ausreden/argumentieren lassen, bzw in rhethorische Sprechpausen reingrätschen.

    Und daran anschliessend dann bitte, noch die IMHO Hohe Kunst, wie man Leute einfängt, die NLP-Tricks anwenden – Die Tricks zu erkennen ist kein Problem – Aber die passende Replik fehlt.

    Achwas .. das hat ja alles nix mit Politik zu tun, aber zeigt, daß das Themenfeld noch beliebig vertieft werden kann …

    Ich freu‘ mich einfach auf die nächste Folge

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    1. Thomas Brandt Beitragsautor

      Ich denke, dass holgi das wusste, bevor er mich gefragt hat. 🙂

      Danke sehr. Im Unterricht mache ich das nicht zwangsläufig in der Tiefe. Es bringt da auch wenig theoretisch über Kommunikationsstrategien zu dozieren. Aber durch den Podcast habe ich auch die Möglichkeit, dass das meine Schüler sich mal zu Gemüte führen. Ich mache mit denen meist nur einen Einstieg in das Thema und dazu dann Sprache und Politik.

      Zu dem Machtgefälle kann ich wahrscheinlich keine Folge bieten, aber ich kann dir da etwas von der boag empfehlen. Dort gibt es das schöne Arbeitspapier Macht!, das dir schön erklären kann, wie Macht im sozialen Sinn über Gesten und soziale Konstrukte aufgebaut wird. Da kann man dann halt auch schön fies intervenieren. Ich habe immer festgestellt, dass es da hilft surreal zu intervenieren und sich selbst nicht ernstzunehmen. Bei Reingegrätsche hilft entweder stur am Thema festhalten und das ignorieren oder aber konfrontieren: „möchten Sie wirklich dieses Thema diskutieren, oder soll ich nur ihre Meinung bestätigen?“

      NLP ist meines Wissens ja kompletter Humbug oder zumindest wissenschaftlich nicht gesichert. Mir ist sowas bisher nicht untergekommen und wenn wäre ich da wahrscheinlich schlicht zu skeptisch und sachorientiert um da mitzumachen. Und das wäre auch mein Tip. Die wollen dich über psychologische Tricks und emotionale Reaktionen bekommen. Das bedeutet, dass du am besten über Sachbezug copest. Was auch toll ist, ist ein Metakommentar fallenzulassen, dass du diese Spielchen süß findest. Oder aber. wenn du es erkennst mit ihrem eigenen Lingo antworten: „Ah, jetzt denken sie, dass sie genug gepacet haben um mir gegenüber mit dem leading anzufangen.“ Das gilt übrigens als surreale Intervention. Meine Schulpsychologin in der Lehrerausbildung meinte mal: „Wenn in einer Klasse irgendwas nicht läuft, treten Sie mental einen Schritt zurück und fragen Sie sich, was gerade schief läuft.“ Diese Distanz hilft sehr. Schau hin, was die Person da macht, warum sie es macht.

      Ich hoffe, es hat etwas geholfen.

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